Es gab Zeiten, da habe ich fast keine Musik gehört. Gelesen, ferngesehen, ja, aber Musik war weitgehend aus meinem Leben verschwunden.
Das änderte sich vor einigen Jahren – mit Spotify. Meine Tochter fing an, mehr als nur Kinder-Hörspiele hören zu wollen, und dann ging es vom kostenlosen Account zum Familienaccount für uns alle sehr schnell. Plötzlich hatte ich wieder Spaß daran, Musik zu hören, von meinen alten Favoriten aus den 90ern über Aktuelles bis hin zu völlig unbekannten Titeln, die Spotify mir vorschlug.
Und das war die große Offenbarung: Plötzlich hörte ich Musik, auf die ich selbst niemals gekommen wäre. Ich meine, hätte ich früher im CD-Laden die Alben in der Jazz-Sparte durchwühlt? Oder wäre ich jemals auf Bands wie
Koop, The Puppini Sisters, Backini oder
Quicksand aufmerksam geworden? Sicher nicht.
Und schnell wuchs auch das Bedürfnis, die Musik nicht nur mit dem Kopfhörer oder am Computer hören zu können.
Bose!!!Wir hatten zu diesem Zeitpunk schon seit mehreren Jahren ein
Wave-System von Bose im Wohnzimmer stehen. Nach dem Umzug hatte der Verstärker nicht mehr ins schmalere Regal gepasst, und so ein Wave hatte ich schon bei meinen Eltern bewundert: Klein, aber für die Größe unglaublich klangstark. Das übernahm fortan die Beschallung im Wohnzimmer, eher besser als schlechter als das niedrigpreisige Denon/Canton-Surround-System zuvor, das ich mir Ende der 90er angeschafft hatte.
Als nun also die Anschaffung von Streaming-Lautsprechern im Raum stand, war Bose ein natürlicher Kandidat. Der „Spitzenklang“, mit dem Bose wirbt, steckte auch in meinem Kopf, und ich war der Meinung, mir richtig gute, gewissermaßen fast Premium-Hardware anzuschaffen. So
ganz falsch ist das ja auch nicht. Mehr dazu unten.
Mit der Zeit wurden es insgesamt drei
Soundtouch 10-Lautsprecher (zwei im Wohnzimmer als Stereopaar, einer mittlerweile oben als Computer-Lautsprecher). Die Preise, die ich für gute Klangqualität auszugeben bereit war, stiegen. Ich schaffte mir den Kopfhörer
QuietComfort 35 II an, den ich bis heute schätze.
Eigentlich hatte ich nur einen tauglichen Kopfhörer für um die € 100,– für einen Krankenhausaufenthalt kaufen wollen, aber der Klang, den ich im Laden hörte, war so umwerfend …
Fürs Handy wollte ich eine transportable Lösung und kaufte mir einen
Revolve-Lautsprecher. Dessen fehlender Bass vor allem bei niedrigen Lautstärken sagte mir jedoch nicht zu, so dass ich ihn gleich am nächsten Tag zurück ins Geschäft brachte und durch einen
Revolve+ ersetzte. So viel Geld hatte
eigentlich gar nicht ausgeben wollen, aber was tut man nicht alles …
Erste ZweifelSchließlich schwänzelte ich ein gutes Jahr lang um den
Portable Home Speaker herum (der mittlerweile Portable Smart Speaker heißt). Der war so teuer, dass es mir etwas schwer fiel, die Investition vor mir selbst zu rechtfertigen, und bei ausufernden Lektüren von Lautsprechertests im Netz wurde mir auch erstmals klar, dass Bose gar nicht in den Augen Aller unter den den Top-Hifi-Marken zu finden ist, wie ich immer gedacht hatte. Mein Kopfhörer war und ist unter den Bluetooth-Modellen ganz vorne zu finden, aber die Lautsprecher …
Ich wollte das nicht so recht glauben. Bose war mein Held, und mein Held hatte gut zu sein. Wer anderes behauptete, konnte nicht recht haben.
Da ich im Netz einige begeisterte Rezensionen zum
Marshall Stockwell II gelesen hatte, wollte ich die beiden Lautsprecher gegeneinander antreten lassen und dann überlegen, ob ich den besseren kaufen sollte. Eigentlich wollte ich ja WLAN und Spotify Connect, was der Marshall als reiner Bluetooth-Lautsprecher nicht zu bieten hatte, aber zumindest anhören wollte ich ihn mir.
Was ich dann, etwas absurd, in einem lauten MediaMarkt auch tat. Es war so viel Lärm um mich herum, dass es schwierig war, irgendwelche Nuancen auszumachen, aber trotzdem war klar: Der Klang ist ganz anders. Vor allem in den Höhen lieferte der Marshall viel mehr Betonung auf Einzelheiten, die Details stachen wesentlich deutlicher heraus als beim Bose. Andererseits konnte ich aber keine Details finden, die ich beim Marshall hören konnte, beim Bose aber nicht – sie waren dort nur weniger betont. Gleichzeitig kam mir der Klang des Marshall sehr künstlich vor, klinisch, leblos, während der Bose einen angenehmen, warmen Sound erzeugte, der mir deutlich besser gefiel.
Also nahm ich letztlich den Bose mit nach Hause, auch wenn ich die Leistung des Marshall durchaus beeindruckend fand. Mein Glaube an Bose hatte leichte Risse bekommen.
Der Vergleich unter diesen Umständen kommt mir heute lächerlich vor. Wie hätte ich bei dem Lärm ernsthaft kleine Nuancen hören sollen? Wenn man im Geschäft keinen leisen Raum für Tests zur Verfügung haben kann, machen Lautsprechertests nur fürs ganz Grobe Sinn.
Aber: Der Portable Home Speaker klang tatsächlich noch ein Stückchen besser als der Revolve+, vor allem des weniger dröhnenden Basses wegen. Und jetzt fing ich auch richtig an, Kleinigkeiten zu hören und zu genießen: Der exakte Klang eines Ride-Beckens – sozusagen nicht nur ein
Zing, sondern darüberhinaus kleine Feinheiten, die ich vorher noch nicht gehört hatte. Das Schnarren einer Bass-Saite, das bei meinen vorherigen Lautsprechen im allgemeinen Wumms der Musik untergegangen war.
Natürlich war mein Kopfhörer schon zuvor in der Lage gewesen, solche Details aufzulösen, und ich hatte auch beeindruckt Kleinigkeiten gehört, die mir vorher nie aufgefallen waren. Aber das absichtliche Hineinhören, der Genuss am Detail, das war neu.
Bose?Immer noch wollte ich, dass Bose gut ist. Ich suchte nach Webseiten, die mir das bestätigen sollten, und fand wenige. Statt dessen fand ich audiophile Foren und dort, was mich sehr erstaunte, wahren Hass auf Bose. Bose verarbeite minderwertige Materialien und rufe dafür exorbitante Preise auf. Bei Bose habe man keine Ahnung von Klangqualität. Bose stecke exorbitante Geldsummen in Werbung, das sei der Firma weitaus wichtiger als gute Produkte. Deshalb gebe es auch nie ernsthafte Datenblätter der Lautsprecher mit all den Kennzahlen, die Audiophile so wichtig finden. Bose verändere absichtlich den Klang, er entspreche nicht mehr dem, was der Künstler eigentlich wollte. Die Kundschaft sei aber inzwischen so gehirngewaschen, dass dieser verzerrte Sound als gut und richtig empfunden werde.
Oha.
Weitere Recherche ergab, dass diese Vorwürfe durchaus einen wahren Kern haben, in dieser Übersteigerung aber falsch sind. So mögen die Materialien nicht audiophilen Maßstäben genügen, hochwertig sind sie aber durchaus. Außerdem hat Bose eine der größten Forschungsabteilungen, die es im Lautsprecherbereich überhaupt gibt, und steckt da sehr viel Geld rein. Korrekt ist aber: Bose hat eine eigene Definition von gutem Klang und legt – zumindest bei Lautsprechern – nicht unbedingt Wert auf exakte Wiedergabe. Es soll „gut“ klingen, nicht unbedingt „richtig“.
Tatsächlich ergibt sich bei meinen Bose-Lautsprechern im Vergleich zu anderen, die ich später kaufte, ein ganz spezieller Klang. Bose baut eine Bühne auf. Es entsteht der Eindruck, als sei man auf einem Konzert, und ein paar Meter weiter spielen die Musiker. Ich finde bis heute, dass das kein an sich schlechtes Musikerlebnis erzeugt. Aber es ist nicht mehr der Klang, der ursprünglich aufgenommen und abgemischt wurde. Und es gehen auch Elemente unter. Mehr dazu in einem späteren Post im direkten Vergleich mit Lautsprechern, die ich dieses Jahr kaufte.
AudiophilieEinstweilen übten „die Audiophilen“ eine seltsame Faszination auf mich aus. Zunächst hielt ich noch das meiste für ziemlichen Unsinn. Hochnäsige Snobs, die sich etwas auf ihre sündteuren Musikanlagen einbilden, sich Grabenkämpfe auf Kindergarten-Niveau um absurde Kleinigkeiten liefern, viel Geld für Kabel mit speziellen Features ausgeben, weil sie sich einbilden, dass der Goldkontakt am Stecker einen klanglichen Unterschied macht, selbst wenn digitale Daten übertragen werden … Da gibt es schon viel echten Blödsinn.
Andererseits: Die Suche nach dem perfekten Klang, das ist schon etwas, was ich anziehend finde. Anders gesagt: Solche Anlagen möchte ich mal hören. Möchte wissen, wie das dann wirklich klingt.
Dieser Artikel im Esquire drückt ziemlich genau aus, was ich selbst empfinde: Ein gewisses Staunen, Kopfschütteln über die extremen Formen der Audiophilie, ein gerüttelt Maß Unglaube – und doch übt das eine große Faszination aus.
Feinste UnterschiedeUnd ja, mittlerweile habe ich selbst angefangen, manchmal Unterschiede zwischen einem 320-kBit-Vorbis-Stream bei Spotify und einem Stream mit 24 Bit Auflösung (44.1–96 kHz Samplingfrequenz) bei Qobuz zu hören. Manchmal. Mit meiner neuesten Erwerbung, über die ich in einem weiteren Artikel noch sprechen werde, höre ich manchmal was. Mal sehr subtil, so dass ich mir nicht sicher bin, ob ich mir das nur einbilde. Mal so klar und deutlich, dass ich davon ausgehe, dass Spotify und Qobuz unterschiedliche Audioquellen für das gleiche Album genutzt haben müssen. Bilde ich mir das nur ein? Der bessere Stream
muss schließlich auch besser klingen, nicht wahr?
Tatsächlich kann ich aber meistens beim besten Willen keinen Unterschied hören, vor allem nicht zwischen 320 kBit/s Vorbis und CD-Qualität, also 16 Bit bei 44.1 kHz. Wenn es für mich hörbare Unterschiede gibt, dann meist nur bei einer Auflösung von 24 Bit. Ob die Abtastrate dann bei 44.1 kHz oder bis zu 96 kHz liegt, scheint wieder keinen hörbaren Unterschied zu machen, zumindest für mich und mein Equipment.
Ich habe mich auch einmal an einem ABX-Test versucht, bei dem ein verlustbehafteter 320-kBit/s-Stream mit CD-Qualität verglichen wird. ABX-Tests sind die allgemein akzeptierten Tests dafür, ob man tatsächlich einen Unterschied hören kann: Ein bisschen Musik liegt in verlustbehaftet komprimierter und verlustfrei komprimierter Version vor. Zufällig wird die eine als A präsentiert, die andere als B. Außerdem gibt es X, das wiederum zufällig entweder mit A oder mit B identisch ist. Man soll entscheiden, ob X=A oder X=B.
Den von mir gemachten Test gibt es hier.Wie oben schon gesagt: Meistens höre ich keinen Unterschied, und schon gar nicht beim Vergleich CD-Qualität vs. 320 kBit/s. Ich hatte außerdem das Problem, dass meine „gute Hardware“ schlecht aus einem Browser heraus ansprechbar ist. Nur via AirPlay ist die volle Bitrate erreichbar (AirPlay bietet maximal CD-Qualität), und da gibt es bei diesem Gerät eine Verzögerung von mehreren Sekunden, so dass ich nicht sagen konnte, wann nach einem Tastendruck tatsächlich die Umschaltung von A auf B oder X erfolgte. Sinnvoll vergleichen konnte ich also nur den Anfang des Stücks, und da konnte ich nur beim ersten ernsthaft einen winzigen Unterschied hören, bei den anderen nicht, so sehr ich mich auch anstrengte. Unterschiede, die ich zu hören glaubte, entpuppten sich schon beim erneuten Anhören als nicht sicher identifizierbar, und bei zwei Stücken gelang es mir nicht einmal, mir einen Unterschied einzubilden. Entsprechend fiel dann auch das Ergebnis aus: Beim ersten Stück hatte fünf Richtige, hatte also tatsächlich zielsicher in jedem Fall das X richtig zugeordnet. Bei allen anderen hätte ich auch zufällig rumklicken können.
Letztlich bestätigt das meinen Eindruck: Ich höre meist keinen Unterschied, aber manchmal eben doch.
Und was ist mit 24 Bit Auflösung, wo ich eher eine Verbesserung zu hören glaube als bei CD-Qualität (16 Bit)? Ist zwischen verlustbehafteter Kompression und einem 24-Bit-Stream ohne Verlust der Unterschied größer, so dass man auch eher etwas hören kann? Oder müsste man umgekehrt sagen: Wenn schon CD-Qualität nicht von verlustbehafteter Kompression unterscheidbar ist, wie soll dann ein Erkennen noch feinerer Verästelungen möglich sein?
Persönlich denke ich, dass mir tatsächlich der größere Abstand ein Erkennen leichter macht. Aber bin ich ganz sicher, dass ich wirklich etwas höre? Nein.
Das trifft übrigens auch auf Bluetooth zu. Mir war früher gar nicht bewusst, dass die Bluetooth-Audio-Streams verlustbehaftet komprimiert sind. Unter Android und mit passendem Kopfhörer oder Lautsprecher sind mit aptX und aptX HD höhere Bitraten möglich, das Sony-eigene LDAC kann sogar noch mehr (wurde im letzten Flagschiff-Kopfhörer aber von Sony selbst nicht mehr verbaut). Apple gibt den iPhones und iPads (anders als den Macs) leider nur den Standard-Codec SBC und AAC mit. Kopfhörer von Bose können aber ohnehin nur SBC und AAC, die Lautsprecher sogar nur SBC.
Hört man einen Unterschied? Wie oben auch: Ich meistens nicht. Aber manchmal gibt es doch Ausreißer, wie es mir schon letztes Jahr einmal klar wurde, als ich einmal von Bluetooth auf Spotify Connect umschaltete und einen so deutlichen Unterschied hörte, dass mir der Mund offenstand. Zu anderen Gelegenheiten mit anderer Musik: Kein hörbarer Unterschied.
Jedenfalls wird es vermutlich wenig Sinn machen, den obigen ABX-Test mit einem Bluetooth-Kopfhörer zu versuchen. Ich habe es nicht probiert, aber ich vermute, dass die geringen Unterschiede, die vielleicht hörbar wären, durch die BT-Kompression wieder aufgefressen werden. Außer vielleicht, wenn sich Artefakte aus der ursprünglichen 320-kBits/s-Kompression durch die erneute Kompression verstärken.
Ein bisschen krankhaftSeit ich meinen neuen Lautsprecher habe, probiere ich Qobuz mit seinen verlustfreien Streams aus. Kostenfreier Testmonat. Eigentlich wollte ich da nur mal reinschauen, dann vor Ende des Testmonats kündigen und weiter Spotify nutzen. Zumal ja jetzt auch bekannt wurde, dass Spotify im Laufe des Jahres eine HiFi-Option anbieten will.
Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es nicht doch Qobuz sein muss. Weil bei Qobuz der Künstler sehr viel mehr bekommt als bei Spotify. Weil ich mehr Klassik hören will und Qobuz da besser sortiert ist. Weil ich Lust habe, wieder mehr albenorientiert zu hören, wie früher, vor der Streaming-Zeit, was bei Qobuz der natürliche/normale Zugang ist, während Spotify vor allem Playlist-orientiert daherkommt (was einen nicht daran hindern muss, Alben ganz zu hören, aber letztlich mache ich es dann doch fast nie).
Aber wenn ich ehrlich bin, dann doch vor allem deshalb, weil ich mir einbilde, manchmal einen Unterschied hören zu können und für mein teures Equipment nur das beste will. Obwohl ich meist wirklich ganz genau hinhören muss, um überhaupt einen Unterschied mitzubekommen, selbst dann oft keinen höre und mir insgesamt nicht sicher bin, ob ich mir das alles nur einbilde. Aber Spotify HiFi soll ohnehin „nur“ CD-Qualität bieten, da würde ich dann erst recht nichts hören …
Letztlich ist es wahrscheinlich wie bei Autonarren, die nur das teuerste Benzin mit höherer Oktanzahl und Additiven kaufen. Geschulte Ohren können nachgewiesenermaßen Unterschiede hören, ich wahrscheinlich meistens nicht. Trotzdem fühlt es sich einfach besser an.
Die Entscheidung ist noch nicht getroffen, aber ich fürchte, sie ist es eigentlich doch. Wie ich überhaupt fürchte, dass ich da auf eine schiefe Bahn geraten bin: Mein neuer Lautsprecher gehört vielleicht zur Oberklasse, aber Spitzenklasse ist noch etwas ganz anderes. Werde ich irgendwann versuchen, Investitionen von mehreren tausend oder gar zehntausend Euro in Audio-Equipment bei meiner Frau durchzusetzen? Werde ich Räume nach akustischen Eigenschaften ausstatten, nicht nach Praktikabilität oder Bequemlichkeit? Werde ich hunderte Euro für wenige Meter Kabel ausgeben?
Vielen Audiophilen ist klar, dass der Klang der eigenen Anlage stärker von der heutigen Stimmung abhängt als von einem Kabel mit Goldstecker. Da ist viel Psychologie dabei. Trotzdem: Die Suche nach dem perfekten Klang lockt mich. Sie hat mich vielleicht noch nicht gepackt, aber ich bin gefährlich nahe dran.
Cave canem!