Ich bin passionierter Teetrinker. Und ich liebe Gadgets und Technik. Bis jetzt gab es auf dem deutschen Markt keine Angebote für Tee- und Technikliebhaber. Das ändert sich jetzt mit dem Temial von Vorwerk.
Unverständnis im NetzSeit Vorwerk das Gerät offiziell angekündigt hat, wurde viel darüber gelacht. Wer würde sich einen Wasserkocher für € 600,– kaufen, wurde da zum Beispiel gefragt. Für Gelegenheitstrinker sei der Temial viel zu teuer, echte Teeliebhaber aber würden ohnehin die Teezeremonie genießen wollen. Das Ding sei wohl ausschließlich als Statussymbol gedacht. Tee könne man schließlich auch ohne Temial problemlos zubereiten, man müsse schon arg bescheuert sein, sich so ein Ding in die Küche zustellen.
Nun, ganz unrecht haben die Kritiker sicher nicht. Auch wenn nur wenigen von ihnen offenbar bewusst ist, dass man viele Teesorten
nicht mit kochendem Wasser übergießen sollte, so gibt es doch Wasserkocher mit wählbarer Temperatur, die nur ein Bruchteil dessen kosten, was für einen Temial aufgerufen wird. Und natürlich kann man auch ganz klassisch mit einem Thermometer das abkühlende Wasser immer wieder nachmessen, bis es die richtige Temperatur hat.
Wer braucht dann einen Temial?Niemand. Aber es braucht auch niemand eine Smartwatch, einen Kaffeevollautomaten oder gar ein SUV.
Wer
will einen Temial, muss die Frage richtig heißen – aber auch da scheint die Antwort eher auf „kaum jemand“ hinauszulaufen, jedenfalls nach den Kommentaren zu urteilen, die man im Netz so findet. Bei einer kurzen, stichprobenartigen Suche gingen die positivsten Reaktionen, die ich gefunden habe, in die Richtung „Naja, warum nicht, aber ich brauche sowas nicht.“ Begeisterte Kommentare habe ich zumindest auf Anhieb gar keine gesehen.
Aber vielleicht sieht das in Asien anders aus, ein Markt, für den der Temial offenbar hauptsächlich entwickelt wurde?
Was kann das Ding überhaupt?Kurz gesagt: Losen Tee zubereiten.
Aber das eben auf sehr professionelle Art und Weise. Nicht nur kann der Tee mit verschiedenen Temperaturen und Ziehzeiten gebrüht werden. Das Gerät kann auch die Blätter „aufwecken“, also zunächst aufgießen und diesen ersten Aufguss wegschütten, wie es bei vielen grünen Tees empfohlen wird. Auch mehrere Aufgüsse der gleichen Blätter können automatisch vonstatten gehen, bei Bedarf mit unterschiedlichen Einstellungen je Aufguss.
Vorwerk bietet einen eigenes Sortiment aus zunächst zehn Bio-Tees, bei denen sich jeweils die passende Menge Tee für ein 500-ml-Kännchen in einem Portionsbeutel befindet, natürlich lose, der Beutel wird also ausgekippt. Die Beutel verfügen über einen QR-Code, über den automatisch die passenden Einstellungen für diesen Tee gesetzt werden (änderbar). Danach muss nur noch die Start-Taste gedrückt werden.
Die Temial-Tees sollen laut Blog-Informationen je nach Sorte ca. 6-12 € für einen 10er-Pack kosten – damit sind die billigsten immerhin nur etwas mehr als halb so teuer wie die Tees der Kapselmaschinen von Teekanne und Nestlé; teuer ist es trotzdem.
Darüberhinaus können aber auch eigene lose Tees mit manuell gesetzten Einstellungen genutzt werden.
Über eine Smartphone-App (Android, iOS) können auch eigene Profile angelegt und die Teemaschine ferngesteuert werden. Dort kann man außerdem eine Statistik über den eigenen Teekonsum verfolgen, Software-Updates für den Temial herunterladen und Tee nachbestellen. Ob diese „Profile“ bedeuten, dass man die Trinkgewohnheiten mehrerer Nutzer verfolgen kann (völlig irrelevant), oder dass man eigene Tees anlegen kann, für die Statistik und für die Brühdaten (das wäre sehr sinnvoll), wird nicht ganz klar.
Was mir daran gefälltIch habe schon diverse Teemaschinen besessen und besitze sie zum Teil noch, weil ich morgens gern einfach die Maschine anschmeißen und mich dann um nichts mehr kümmern will, bis der Tee fertig ist. Selbst wenn ich Zeit habe, waren Tee-Zeremonien noch nie mein Ding – mit ein Grund, weshalb ich hauptsächlich Schwarztee trinke; die korrekte Zubereitung guter Grüntees, Oolongs und Weißtees ist mir oft zu aufwändig. Ich weiß, für Viele gehört das dazu, ein wichtiger Teil der Tee-Erfahrung usw., aber mir geht das nicht so. Ich will guten Tee genießen, mehr nicht. Die umständliche Zubereitung führt bei diesen Tees bei mir oft dazu, dass ich sie dann zu Hause habe, aber nicht trinke.
Nennt mich einen Banausen, aber es ist nun einmal so.
Mit dem Temial kommt die erste Teemaschine auf den deutschen Markt, die alle meine Wünsche erfüllt.
Die da wären:
- Automatische Zubereitung von vorne bis hinten. Maschinen, die zwar das Wasser auf die richtige Temperatur bringen, dann aber manuelle Interaktion fürs Ziehen verlangen, machen für mich keinen Sinn – da kann ich gleich einen Wasserkocher mit einstellbarer Temperatur nehmen.
- Temperatur und Ziehzeit einstellbar.
- Eigene Tees verwendbar, kein übermäßiger Müll (keine Kapselmaschine).
- Einfache Reinigung: Kein Brühkorb für den Tee, der nur mit viel Wasser von allen Blättern zu reinigen ist. Spülmaschinenfest.
- Nicht zwingend notwendig, wäre aber schön: Erstellung eigener Programme für verschiedene Teesorten.
- Ebenso schön wäre freies Umherschweben des Tees in der Kanne, kein Einsperren in einen Beutel oder Brühkorb.
Bislang gab es auf dem deutschen Markt nichts, das alle diese Anforderungen erfüllte. Der Tee-Automat von Gastroback kam dem schon ziemlich nahe, aber der Brühkorb und damit einhergehend die umständliche Reinigung nebst der Tatsache, dass das Gerät nicht in der Spülmaschine gespült werden kann, haben mich letztlich immer vom Kauf abgehalten, auch wenn ich öfter darüber nachgedacht habe.
Und Kapselmaschinen … Die Teelounge-Maschine von Teekanne, die hier momentan immer noch ihren Dienst tut, produziert sogar erstaunlich trinkbaren Tee, vor allem im Schwarztee-Bereich, aber Teepreise und Abfallmenge sind einfach so exorbitant, dass ich das Gerät immer mit einem schlechten Gewissen nutze. Ohne die Verwendbarkeit eigener Tees werde ich damit nie richtig glücklich werden.
Beim Temial überzeugt mich vor allem das Design der Brühkammer: Zunächst einmal besteht sie aus Glas – viel weniger Plastik wäre mir ohnehin lieber, aber immerhin zieht der Tee in einer Glaskanne. Der Tee liegt auf einem Teller, der hoch- und runterfahren kann. Von dort ist der Tee schnell in den Biomüll gekippt, die anhaftenden Reste problemlos zu entfernen. Und alles bis auf den Restwasserbehälter, der aber ja für den Geschmack des Tees irrelevant ist, kann in die Spülmaschine.
FazitAngesichts der Allgegenwart von sinnlosen, aber teuren Dingen kann ich die Häme, die über dem Temial ausgegossen wurde, nicht ganz nachvollziehen. Für mich ist er die Teemaschine, auf die ich immer gewartet habe.
Anscheinend stehe ich mit dieser Meinung aber zumindest in Deutschland weitgehend alleine da. Die meisten Teeliebhaber scheinen ihre Zeremonie zu mögen, und für Nicht-Liebhaber ist der Preis von € 599,– (Einführungspreis) natürlich völlig indiskutabel.
Für technikbegeisterte Teeliebhaber wie mich aber eigentlich auch – das ist das größte Problem am Temial. Technisch super, aber viel zu teuer. Viel mehr als ein Wasserkocher mit mehreren Kammern ist es halt doch nicht.
Trotzdem. Da das Geld bei uns zur Zeit ausnahmsweise etwas lockerer sitzt, konnte ich nicht umhin, mir einen Temial vorzubestellen. Immerhin ersetzt er die vorhandene, nur für Schwarztee geeignete Teemaschine und die Tealounge von Teekanne.
Hoffentlich werde ich das nicht bereuen.